Es braucht mehr Risikobereitschaft
Die vor vier Jahren eingeführte Filmförderung hat Südtirol als Filmstandort in Europa etabliert und zahlreiche Jobs geschaffen. Aber was hat sie den lokalen Filmschaffenden gebracht? Die Bilanz ist durchwachsen, der BLS fehlt es schlicht ans Risikofreude. Der Filmverband Südtirol (FAS) fordert eine Adjustierung der Förderkriterien. Ein Gespräch mit dem Regisseur und Produzenten Andreas Pichler.
Tageszeitung: Herr Pichler, wenn man der BLS glaubt, ist die vor vier Jahren eingeführte Filmförderung ein einziger Triumph. Sehen Sie das auch so?
Andreas Pichler: In diesen vier Jahren ist enorm viel erreicht worden. Kaum ein Filmstandort in Europa hat sich in so kurzer Zeit so schnell und so gut etablieren können wie Südtirol. Ich denke, das Land hat damit enorm viel an direkter oder indirekter Werbung einheimsen können. Es sind zahlreiche Dienstleistungsfirmen entstanden, sehr viele, vor allem junge Menschen arbeiten nun regelmäßig im Film-Bereich …
Lässt sich das beziffern? Wieviele Südtiroler arbeiten im Filmgeschäft, welche Summen werden da umgesetzt?
Das ist nicht so leicht zu sagen, da ja die verschiedensten Gewerke und Bereich, also nicht nur strikt Filmspezifische bei der Produktion eines Films beteiligt sind. Es gibt etwa 120 Firmen, die im engeren Sinne im Filmbereich tätig sind und zusätzlich zwischen 300 und 400 Einzelpersonen, Tendenz steigend.
Die Filmförderung läuft in Südtirol über die Wirtschaftsförderung. Konditioniert das die Förderkriterien in die Richtung wirtschaftlicher Effizienz?
Es war von Anfang an klar war, dass die Filmförderung nicht alleine einen touristischen, sondern vor allem einen wirtschaftlichen Effekt erzielen soll. Verschiedene Wirtschafts-Bereiche, vom Handwerk über die Hotellerie bis zu den lokalen Filmdienstleistern, können sich so profilieren. Das ist gelungen … …aber es ist ein zentrales Ziel der Filmförderung, die lokale Kreativ-Wirtschaft zu fördern. Das ist leider etwas auf der Strecke geblieben, obwohl es ein in den Statuten der BLS ganz oben angesiedeltes Ziel ist. Daran muss nun gearbeitet werden, dazu müssen einige der Förder-Kriterien leicht verändert werden. Ich denke, es braucht hier einen stärkeren Schulterschluss von Wirtschaft und Kultur. Die Förderung der lokalen Kreativkräfte klingt erst mal wie ein Anliegen der Kultur. Wenn diese Kreativen dann aber große Geldmengen umsetzen, befinden wir uns im Bereich der Wirtschaft. Der Film ist immer irgendwo dazwischen angesiedelt.
Wen meinen Sie mit lokaler Kreativ-Szene?
Die lokalen Regisseure, Kameraleute, Drehbuchautorinnen, Filmmusiker, Schauspieler aber Grafiker und Produzenten. Unsere Leute sind im Moment vor allem Dienstleister. Außer einigen wichtigen Dokumentarfilmen ist in den vergangenen vier Jahren kein einziger Südtiroler Spielfilm entstanden. Es gibt zahlreiche Projekte in Entwicklung, einige sogar in Vorbereitung, aber nichts ist in Produktion gegangen. Das ist eine Tatsache.
Waren die Projekte nicht gut genug, haben sie den Förderstandards nicht entsprochen?
Es ist schon auch so, dass die Entwicklung von Projekten enorm viel Zeit beansprucht. Bei uns in der Echo Film sind 3 Südtiroler Stoffe seit 2 Jahren in Entwicklung. Aber es ist eine Tatsache, dass die BLS einfach kein – auch nur kleines Risiko – eingehen will. Einige Südtiroler Projekt wurden nicht unterstützt, weil es Erstlingsfilme waren oder weil die Projekte noch keine andere Förder- oder keine Zusage eines Fernsehsenders hatten. Die BLS tut sich im Moment schwer, als erste Institution zu fördern, aber das wäre gerade bei den kleineren Südtiroler Projekt enorm wichtig. Denn dann steigen auch Finanziers aus anderen Ländern ins Projekt ein.
Das Fördersystem baut vor allem auf internationale Vermarktbarkeit, also auf Exportfähigkeit der Filme mit dem erhofften Werbeeffekt für Südtirol. Kommen lokale Projekte dabei automatisch zu kurz?
Die Methode, wichtige Film-Produktionen ins Land zu holen, funktioniert. Davon haben auch die einheimischen Filmschaffenden viel gelernt und ich hab immer gesagt, dass dies für den Anfang sehr wichtig ist. Aber davon kann der Standort insgesamt nicht wirklich wachsen. Dazu braucht es Geschichten und Produktionen von vor Ort. Die dann auch in die Welt raus gehen, aber die von hier ausgehen. Die lokalen Projekte kommen nicht automatisch zu kurz, viele fallen einfach durch, weil die aktuellen Richtlinien die Messlatte extrem hoch ansetzen. Nicht jedes lokale Projekt hat bereits einen Internationalen Film-Verleih oder einen großen Fernsehsender mit im Boot. Aber es fängt schon bei den Ansuchen an. Der Verwaltung-Aufwand für so ein Ansuchen ist enorm, und für große Spielfilm-Projekte ist das auch völlig richtig so, aber für kleinere lokale Produzenten ist das kaum zu stemmen. Da braucht es etwas mehr Flexibilität.
Weil für eine kleine lokale Produktion nicht die gleichen Kriterien wie für eine internationale gelten können …
Richtig. Es ist entscheidend, die Förderinstrumente auf die lokale, zum Teil kleinstrukturierte, aber sehr junge und kreative Filmbranche zuzuschneiden. Wir müssen sie dort abholen, wo sie steht, um sie wachsen zu lassen. Das funktioniert bislang leider weniger gut.
Wie könnte das besser funktionieren? Welche Änderungswünsche hat der Filmverband Südtirol (FAS) an die BLS?
Der Filmverband wünscht sich, dass ein Teil des Budgets auch für kleinere Projekt ausgegeben wird, die von einheimischen Regisseuren und Produzenten stammen. Also auch für Kurzfilme und experimentellere Filme, bei denen die Macher „wachsen“ können und bei denen nicht immer schon eine Fernsehsender oder eine Internationaler Verleiher beteiligt ist. Nur auf einer solchen „Spielwiese“ können sich die einheimischen Talente ausprobieren. Nur bei einem Kurzfilm beispielsweise kann ein junger Kameramann seine erste eigenständige Spielfilm-Arbeit stemmen und sich profilieren. Dazu braucht es keine großen Summen, es braucht aber eine gewisse Risikobereitschaft von Seiten der Förderinstitutionen. Bei der Förderung der Kreativ-Wirtschaft ist das weltweit gang und gäbe.
Können Sie ein Beispiel für mehr Risikobereitschaft machen?
Ein Beispiel für mehr Risikobereitschaft wäre es, einen kleinen Spielfilm eines Südtirolers als erste Institution zu unterstützen und nicht erst nachdem die österreichischen oder die deutschen Kollegen zugesagt haben. Oder die Unterstützung von Projekten, die im Cross Medialen Bereich angesiedelt sind, also Projekte, die sich mit neuen hochwertigen Erzählformen quer durch die Medien, beispielsweise im Internet beschäftigen. Einige Südtiroler Firmen arbeiten bereits in diesem Bereich. Dort gibt es enormes Zukunftspotential.
Woran arbeiten diese Firmen?
Viel bewegt sich da im Bildungsbereich. Zum Beispiel wird neben einem Dokumentarfilm zu einem bestimmten Thema fürs Internet noch eine eigene Plattform oder sogar ein „Game“ entwickelt, das die Inhalte auf Spielerische Weise weiterdenkt und vermittelt. Diese Cross-Medialität wird auch für den Spielfilmbereich immer bestimmender.
Ein Streitpunkt war von Anfang an der so genannte Südtirol-Effekt, also der Werbeeffekt für Südtirol. Lässt sich der überhaupt messen?
Der sogenannte „Südtirol-Effekt“ ist im strengen Sinne kein Werbeeffekt, sondern eine wirtschaftlicher Effekt. Mindestens 150 Prozent der Fördersumme müssen im Land Südtirol ausgegeben werden. Also 50 Prozent mehr als die Förderung ausmacht. Das lässt sich sehr wohl messen. Die Abrechnungsprozeduren bei der Förderung sind extrem penibel und genau; da wird jede Hotelrechnung und jeder Taxischein genau kontrolliert und das ist auch gut so. Die Produzenten müssen sich daran halten, denn sonst wird ihnen ein beachtlicher Teil der Fördersumme gar nicht ausgezahlt. Laut Statistiken der BLS liegen die durchschnittlichen Ausgaben sogar ein gutes Stück über 150 Prozent. Es kann schon sein, dass es bei dem einen oder anderen Projekt Probleme gegeben hat, aber das müssen Sie bei der BLS nachfragen.
Das klingt, als ob von der Filmförderung vor allem Hoteliere und Taxis profitieren würden. Lässt sich auch der qualitative Effekt eines Projekts auf die einheimische Filmbranche messen?
Der lässt sich naturgemäß schwieriger feststellen. Deshalb steht genau diese Frage im Raum: Wofür wird das Geld genau ausgegeben? Primär für Hotels, Restaurants und Technikverleih oder auch für einheimische Filmschaffende, Schauspieler oder Serviceproduktionsfirmen. Daher fordern wir als FAS eine Art Punktesystem, mit quasi objektiven und vor allem transparenten Maßstäben für die Entscheidung, welches Projekt gefördert werden soll. Je mehr Südtiroler in guten Positionen in einem Projekt arbeiten, je mehr lokale Firmen eingebunden sind, desto mehr Punkte sollten dafür vergeben werden.
Die Landesregierung hat beschlossen, die BLS, SMG und TIS in einer einzigen Gesellschaft zusammenzufassen. Was erwartet die Filmbranche davon?
Wir sind da völlig offen, da es ja noch keine Anhaltspunkte gibt was sich wie verändern wird. Die Zusammenarbeit mit der bisherigen Leitung der BLS war gut. Daher sind wir zuversichtlich.
Interview: Heinrich Schwazer
Andreas Pichler
Andreas Pichler, 1967 in Bozen geboren, hat in Bologna und in Berlin an der Universität Philosophie und Theaterwissenschaften studiert. Er arbeitet als Regisseur und Autor von Dokumentarfilmen in Deutschland, Italien und Österreich. Die meisten seiner Filme sind Europäische Koproduktionen und liefen auf zahlreichen Internationalen Festivals. Vor kurzem lief sein Film „Das Venedig Prinzip“ erfolgreich in den Deutschen und Österreichischen Kinos, der auch in die Auswahl für den Deutschen Filmpreis gelangte. 2004 wurde er für seinen Film „Call me Babylon“ mit dem Adolf Grimme Preis ausgezeichnet, ein Jahr später wurde der Film für den Prix Europa nominiert. 2013 erhielt er den Quandt Medien Preis für “Die Lithium Revolution” Seit einigen Jahren ist er auch als Produzent für die Firmen Miramonte Film und Echo Film tätig. Drei Jahre lang war er Präsident der FAS – Film Association Southtyrol, seit 2012 leitet Patrick Kofler die Geschicke des Verbandes, Pichler ist aber weiterhin im Vorstand vertreten.
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