„Es sind nur Viecher“
Eine winterliche Jagderlaubnis auf Hirsche in Vintl sorgt für reichlich Diskussionsstoff. Sollen Wildtiere auch im Winter gejagt werden, wenn sie Schäden anrichten? Und: Wie groß ist der Druck der Bauern?
von Heinrich Schwarz
Der Fall sorgt unter Jägern, Bauern, Förstern und Tierschützern weiterhin für große Diskussionen: Im Jagdrevier Vintl dürfen in den Wintermonaten trotz Ablauf der Jagdzeit am 15. Dezember weitere Hirsche erlegt werden. Landesrat Arnold Schuler unterzeichnete das entsprechende Dekret.
Der Hintergrund:
Zwei Bauern aus Sergs, einer Siedlung oberhalb von Niedervintl, haben im heurigen Juni eine Eingabe im Hinblick auf den Abschussplan eingereicht. Sie verwiesen auf vermehrte Schäden in den umliegenden Wäldern – verursacht durch die hohe Anzahl an männlichem Rotwild, das den Wald als Wintereinstand nutzt. Junge Fichten würden seit Jahren von den Hirschen geschält, was zu einer nachhaltigen Schädigung des Mischwaldes führe.
Arnold Schuler verfügte dann am 21. November den Abschuss von weiteren, maximal fünf, Hirschen. Die Sondererlaubnis gilt vom 1. Dezember 2014 bis zum 15. März 2015. Die Schäden seien bei einem Lokalaugenschein untersucht worden. Und: „Durch eine gezielte Entnahme soll das Rotwild aus dem Wintereinstand vergrämt werden“, heißt es im Dekret.
Der Aufschrei kam vom Tierschutzverein „lura et Libertatem pro Animalibus“. „Es stellt erneut ein Zeichen dar, wie Tiere in unserer Heimat behandelt und angesehen werden. Es sind nur ‚Viecher’ – und daher ist jedes Mittel recht, sie auch bei Lappalien zu vernichten“, so der Vorsitzende Richard Steinmann.
Kritisiert wird zum einen die winterliche Jagderlaubnis. „Der Winterstand muss – wie vom Gesetz eigentlich vorgesehen – gewährleistet und unangetastet bleiben. Die Tiere werden extremen Stress ausgesetzt“, sagt Steinmann. Zum anderen verurteilen die Tierschützer, dass es eine Ausnahme zum Nachtjagdverbot gibt.
Heinrich Aukenthaler, Geschäftsführer des Südtiroler Jagdverbandes, weiß bestens über den Fall in Vintl Bescheid. Und er ist nicht froh darüber: „Wenn irgendwie möglich, sollte man auf solche Sonderermächtigungen verzichten. Auch, weil sie zu Polemiken führen. Die Menschen denken sich, die Jäger wollen alles niederschießen. Aber das stimmt nicht. Die Jäger sind sicherlich nicht glücklich damit.“
Tatsächlich haben sich bei der TAGESZEITUNG bereits Jäger gemeldet, die die Sonderermächtigung anprangern. „Wenn die Bauern den Braten riechen, könnte das Schule machen, sodass das Wild überhaupt keine Ruhe mehr hat“, so der Tenor.
Heinrich Aukenthaler glaubt nicht, dass es soweit kommt: „Sonderermächtigungen hat es immer schon gegeben. Wir leben eben in einem Land, wo Land- und Forstwirtschaft eine große Rolle spielen und man in den normalen Jagdzeiten mitunter nicht imstande ist, den Schäden vorzubeugen.“
Alljährlich erstellen die Forstbehörde, der Bauernbund und der Jagdverband gemeinsam den Abschussplan. „Ein Kompromiss“, wie Aukenthaler sagt – „und eine Vorschrift für die Reviere.“ Es könne aber akute Situationen an jenen Orten geben, wo sich die Wintereinstände der Hirsche befinden und das Gebiet deshalb schadensanfällig sei.
Viktor Peintner, Vize-Obmann des Südtiroler Bauernbundes, hört immer wieder von Wildschäden – vor allem in bestimmten Gebieten wie eben in Vintl. „Die Bäume werden einfach kaputt“, klagt Peintner.
Auch ihm wäre wohler, wenn die Wildtiere nur in den vorgesehenen Jagdzeiten erlegt werden. Ansonsten gebe es gleich Unfrieden. „Wenn der heurige Abschussplan für das Jagdrevier Vintl heuer zu 100 Prozent erfüllt wurde, sehe ich die Jagd im Winter als nicht ganz richtig an“, so Viktor Peintner. Andernfalls sei die Situation eine andere – auch, weil viele Hirsche ständig umherwandern und nur im Winter in Gebiete wie Vintl kämen.
Ein gewisser Druck auf die jährlichen Abschusszahlen von Seiten der Forstwirtschaft ist jedenfalls da, was Heinrich Aukenthaler bestätigt: „Der Druck ist schon seit Jahrzehnten deutlich spürbar. Aber genau deshalb sind die Forstwirte in der Abschussplan-Kommission vertreten, wo die Wünsche platziert werden können.“ Der Geschäftsführer des Jagdverbandes spricht dabei von einer äußerst guten Zusammenarbeit. Er unterstreicht in der Gesamt-Thematik zudem, dass es keine Gefahr für die Rotwild-Bestände im Land gebe.
Viktor Peintner gibt zu, dass bei der Festlegung des Abschussplanes Druck ausgeübt wird. „Man muss aber immer versuchen, ein Mittelmaß zu finden. Für die Jäger ist es auch nicht so einfach, in einzelnen Revieren eine große Anzahl an Rotwild zu schießen“, so der Bauernvertreter.
Am längeren Hebel sitzen bei den Verhandlungen aber sicherlich die Land- und Forstwirte. Denn: Wildschäden müssen vom jeweiligen Jagdrevier ersetzt werden. Und das kann mitunter teuer werden.
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