„Optimismus ist wichtig“
Die Regierung Renzi lockert den Kündigungsschutz. Senator Hans Berger klärt auf, welche Änderungen nun auf Südtirols Arbeitnehmer zukommen werden.
TAGESZEITUNG Online: Herr Senator, wie bewerten Sie als Mitglied der Arbeitskommission im Senat die Arbeitsmarktreform der Regierung Renzi?
Hans Berger: Die Regierung hat am 24. Dezember zwei von fünf erwarteten Dekreten erlassen. Diese Maßnahmen müssen nun von den Arbeitskommissionen im Senat und in der Kammer begutachtet werden. Ich gehe davon aus, dass die Dekrete bis spätestens Ende Februar in Kraft treten können. Die Arbeitsmarktreform ist als kopernikanisches Element bezeichnet werden – und ich hoffe, dass die angekündigte Reform nicht zum Reförmchen wird. Diese Gefahr besteht, weil hier viele verschiedene Kräfte am Werk sind. Es besteht kein Zweifel daran, dass das italienische Arbeitsrecht einer grundlegenden Reform bedarf. Die internen Auseinandersetzungen im PD dürfen Matteo Renzi nicht daran hindern, diese Reform durchzuziehen.
Ein Dekret betrifft die Lockerung des Kündigungsschutzes …
Das, was Renzi vorhat, ist als sehr positiv zu bewerten. Es geht nicht darum, den Kündigungsschutz komplett aufzuheben. Doch in Zeiten, wo Beschäftigung notwendig ist, braucht es eine Flexibilität im Arbeitsrecht. Das italienische Arbeitsrecht ist aufgrund der immer wiederkehrenden Änderungen zu einem unübersichtlichen Regelwerk geworden, das dauerhaft Anlass für Arbeitsstreitigkeiten ist. Mit der Neuregelung werden die privaten Verhandlungen ermöglicht und es werden im Sinne der Auflösung des Arbeitsverhältnisses klare Spielregeln und klare Limits gesetzt, was nur zu begrüßen ist. So gibt es auch eine Unterscheidung zwischen Betrieben mit mehr und jenen mit weniger als 15 Mitarbeitern. Die Forderungsmöglichkeit für entlassene Mitarbeiter regeln sich je nach dem, wie lange das Arbeitsverhltnis schon besteht und auch nach der Größe der Firma. Was es natürlich braucht, ist ein funktionierendes Arbeitsgericht und es ist immer die Möglichkeit der außergerichtlichen Vereinbarung vorzuziehen. Wenn dies nicht so sein sollte, dann hat auch der Richter mit diesem jetzigen Entwurf bestimmte Vorgaben für die Entschädigungszahlungen bei Kündigungen. Und es dürfte nicht mehr vorkommen, dass eine Firma aufgrund von Streitigkeiten um ihre Existenzgrundlage bangen muss. Vorgesehen ist die Zahlung eines halben Monatslohns pro Beschäftigungsjahr mit einem Maximum von sechs Monatslöhnen bei einem langjährigen Arbeitsverhältnis.
Die Regierung hat bislang die öffentlichen Bediensteten von dieser Lockerung des Kündigungsschutzes ausgenommen …
Es muss verfassungsmäßig überprüft werden, ob es zwei unterschiedliche Rechtssysteme für öffentliche und private Arbeitnehmer geben darf. Auch in der öffentlichen Verwaltung sollte Leistung mehr Anerkennung finden. Das heißt es braucht die Möglichkeit, auch unproduktive Mitarbeiter zu entlassen, um die Fleißigen nicht zu demotivieren.
Die zweite Neuregelung betrifft die Arbeitslosenunterstützung …
Diese wird ab 1. Mai 2015 neu geregelt und strenger gehandhabt. Der Arbeitslose muss bei Bezug dieser Unterstützung nachweisen können, dass er Umschulunskurse wahrnimmt und Arbeitsangebote nicht ablehnt. Er muss beweisen, dass aktiv von seiner Seite nach einer Arbeit gesucht wird, damit er nicht zum Nutznießer des Sozialsystems wird. Zudem will die Regierung mit einem Dekret eine in ganz Italien vernetzte Arbeitsvermittlungsstelle einführen.
Wird es am Ende des Jahres Terminaufschiebungen geben?
Einen Aufschub wird es bei den Brandschutzbestimmungen für die Gastbetriebe und beim Abfallbewirtschaftungssystem Sistri geben. Zudem wird auch der Termin für die Überprüfung der landwirtschaftlichen Maschinen aufgeschoben. Für Südtirol bedeutsam ist auch die Verschiebung des Termins für die Bewerbungen um die Autobahnkonzessionen. Im Falle der Brennerautobahn bekommt das Land die Möglichkeit, das Angebot noch besser vorzubereiten.
Renzi sagte bei seinem Jahresrückblick: Italien sei zwar müde, doch im kommenden Jahr werde es einen Aufschwung geben. Teilen Sie seinen Optimismus?
Renzi hat mit seinem 80-Euro-Gutschein und der Arbeitsmarktreform wichtige Anreize geschaffen. Doch so lange es kein Wachstum gibt, helfen die besten Maßnahmen nichts. Was Italien benötigt, sind Investitionen und Steuererleichterungen. Zudem wird Renzi versuchen, die Drei-Prozent-Klausel neu definieren zu lassen. Angela Merkel und Wolfgang Schäuble geraten mit ihrer Sparpolitik immer mehr unter Druck. Deshalb traue ich dem Ministerpräsidenten zu, dieses Ziel zu erreichen. Renzi hat den großen Vorteil, Optimismus zu verbreiten. Und dieser Optimismus ist für Italien wichtig. Denn depressiv zu sein, ist einfach, schwieriger ist es, Anstrengungen vorzunehmen. Wir Südtiroler können nur froh sein, dass wir hier in Rom ein so gutes Verhältnis zum Ministerpräsidenten haben.
Interview: Matthias Kofler
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