Gadertaler Veto
Corvara und St. Vigil in Enneberg haben einen Grundsatzbeschluss gegen die Aufnahme von Flüchtlingen gefasst. Zum Ärger von Michil Costa.
von Silke Hinterwaldner
„Was für ein heimeliges Plätzchen doch aus meinem Dorf Corvara geworden ist“, sagt Michil Costa mit nicht zu überhörender Ironie.
Seit er weiß, dass seine Gemeinde einen Grundsatzbeschluss gegen die Aufnahme von Flüchtlingen gefasst hat, macht sich der grüne Hotelier Gedanken darüber, warum man das tut und was das bedeuten könnte. Vor allem aber hat Michil Costa kein Verständnis für den herzlosen Standpunkt der Gemeindeverwalter.
Michil Costa:
„Die Gemeinde von Corvara teilt mit, dass angesichts der von Einwanderern auf nationaler und provinzialer Ebene hervorgerufenen schwierigen Situation etwas getan werde müsse. Im Sinne, dass man die Einwanderer absolut fern halten müsse von Corvara. Es sei undenkbar, dass man sich hier um welche kümmern könne, im Gegenteil, man werde sich „mit Händen und Füßen verteidigen, denn die große Mehrheit sind ja gar keine Flüchtlinge und außerdem kulturell viel zu verschieden von uns, weshalb Sicherheit, Sauberkeit und Image von Corvara leiden würden.“ Wortwörtlich.“
Die Gemeinde Corvara glaube nur an den weißen Schnee. Ansonsten sehe sie schwarz, sinniert er.
Dabei ist Corvara eine der reichsten Gemeinden des Landes.
Der Tourismus hat im Gadertal in den vergangenen Jahrzehnten für Aufschwung gesorgt. Davon profitiert auch Michil Costa. Das hält ihn nicht davon ab, für die Notleidenden Partei zu ergreifen.
Aber was ist geschehen im Gadertal? Wie kam es zu diesem Grundsatzbeschluss in Corvara?
Die Geschichte nahm in Wengen ihren Anfang. Dort wollte ein privater Zimmervermieter seine Pension für die Aufnahme von 25 Asylwerbern zur Verfügung stellen.
Im Sommer 2016 zog er sich dann vom Mietvertrag zurück, der Druck gegen ihn war zu groß geworden. Wengen wollte kein Asylantenheim. Weil aber jede Talschaft dazu verpflichtet ist, Flüchtlingen ein Dach über dem Kopf zu geben, setzten die fünf Gemeinden im Gadertal eine Arbeitsgruppe ein, die das Thema abhandeln sollte. Allein die Gemeinden St. Vigil in Enneberg und Corvara legten sich quer. Bei ihnen gebe es keinen Platz für Flüchtlinge.
Im September hatte Lois Taibon diesen Stein losgetreten.
Der Bezirksobmann der Freiheitlichen im Pustertal ist zugleich Gemeinderat in St. Vigil. Er sagt: „Viele Leute haben brutal Angst. Vor allem Angst vor Anschlägen, wie sie überall in Europa passieren.
Deshalb wurde ich gebeten etwas zu unternehmen.“ Also hat der Freiheitliche einen Beschlussantrag aufgesetzt. Der Inhalt hat eine klare Stoßrichtung: sich gegen die Aufnahme von Asylwerbern auf dem Gemeindegebiet von St. Vigil mit aller Kraft zur Wehr zu setzen.
Am 28. September trafen sich die Gemeinderäte zur Diskussion. Schnell war klar, dass die Freiheitliche Position mehrheitsfähig ist, wenn auch mit geringfügigen Anpassungen. Nur zwei Räte stimmten gegen den Beschlussantrag. Alle anderen stellten fest, dass es in St. Vigil in Enneberg keinen Platz für Flüchtlinge gebe (weil Immobilien nicht vorhanden). Und man wolle umgehend informiert werden, sobald etwas in diese Richtung unternommen werde. „Seitdem“, sagt Lois Taibon durchaus zufrieden, „ist Ruhe eingekehrt.“
Mehr noch. Das Beispiel von St. Vigil hat Schule gemacht.
Am 21. Dezember zog der Gemeinderat von Corvara mit einem ganz ähnlich lautenden Grundsatzbeschluss nach. In der Diskussion zeigte sich dabei deutlich, dass es eben nicht nur darum geht, dass keine Immobilien zur Verfügung stehen würden, sondern vielmehr darum, dass man Flüchtlinge in einer Tourismushochburg wie Corvara nicht haben will.
Das könnte dem Image schaden.
Am 17. Dezember erklärte Vizebürgermeisterin Nadja Alfreider in der TAGESZEITUNG: „Es gibt derzeit keinen konkreten Anlass. Aber wenn es dazu kommen sollte, wollen wir die Meinung der Leute einholen und mitreden.“
„Mitreden“ heißt in diesem Zusammenhang wohl „ablehnen“.
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