Bettlerbanden im Bahnhof
Der Sterzinger Bahnhof als Treffpunkt für Bettlerbanden: Was ein TAGESZEITUNG-Lesereporter beobachtet hat.
von Erna Egger
Mitleid, Unbehagen, Ärger, Zorn und manchmal auch Angst: Bettlerbanden lösen bei den Passanten oft unterschiedliche Gefühle und Gedanken aus. Auch sind sie mit Vorurteilen konfrontiert: Die Bettler, zumeist ausländischer Herkunft, bitten um Almosen und spionieren Ortschaften, Häuser und Passanten aus, wird ihnen unterstellt.
In Sterzing ist es nicht anders: Zugfahrgästen sind die Bettlerbanden oft schon aufgefallen.
Diese Bettler, alle bepackt mit einem Rucksack, treffen sich bei der Abenddämmerung nach getaner „Arbeit” fast täglich im Bahnhof Sterzing und erregen die Aufmerksamkeit der anderen Fahrgäste.
Ein TAGESZEITUNG-Lesereporter hat festgestellt, dass sie von dort aus mit dem Zug nach Brixen, Bozen, Meran oder zum Brenner zu ihren Schlafunterkünften fahren. Sie nehmen nicht gemeinsam einen Zug, sondern legen ein koordiniertes Vorgehen an den Tag. Sie trennen sich und nützen unterschiedliche Züge: Der TAGESZEITUNG-Lesereporter hat am 15. Dezember beobachtet, wie vier oder fünf Mitglieder der Gruppe zum Zug gehastet und verteilt über die Waggons in den Zug eingestiegen sind. Fahrkarten kaufen sie nicht.
Die weiteren Mitglieder der Bande nahmen den nächsten Zug, der eine Stunde später in Sterzing abfuhr.
Kein Einzelfall: Die Zugführer kennen diese Fahrgäste. Ein Schaffner im Regionalzug nach Brenner erklärte auf Anfrage: „Diese Bettlergruppe ist mir jetzt schon über ein Jahr bekannt. Tagsüber durchstreifen sie Sterzing und Brixen. Bei Fahrkartenkontrollen stellen sie zuerst ihr Mobiltelefon laut und tun so, als würden sie mich nicht hören, danach geben sie vor, mich nicht zu verstehen. Sie steigen erst vom Zug aus, wenn ihnen klar wird, dass dieser Zug nicht abfahren wird, bis sie entweder eine Fahrkarte kaufen oder die Polizei hier ist.“
Einer dieser Gruppenmitglieder wurde am Sonntag, 18. Dezember 2016 um 12.00 Uhr vom TAGESZEITUNG-Lesereporter gesichtet, als er seinen Rausch bei der Trenitalia-Dieseltankstelle am Brenner ausschlief.
Ein Tetra-Pak-Wein, eine Packung Zigaretten und der Rucksack lagen neben dem schlafenden Mann.
Diese Vorfälle lassen schon mal großen Zorn aufkommen. Sterzings Bürgermeister Fritz Karl Messner kann jedoch beruhigen: „Ich habe überhaupt keine Klagen gehört, auch nicht von meiner Kollegin, der Vizebürgermeisterin Verena Debiasi, die täglich pendelt.“
Rumänen oder Afrikaner, die in Sterzing betteln, gebe es schon seit Jahren. „Aber heuer waren sie weniger auffällig. Starke Veränderungen bei diesem Phänomen habe ich nicht festgestellt“, so Messner.
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