Italien wählt
Ja oder Nein zur weitreichenden Verfassungsreform? Alles was Sie zum Referendum wissen müssen – kompakt zusammengefasst.
von Anton Rainer
Italien und damit auch Südtirol stimmt am heutigen Sonntag über die von Matteo Renzi und Regionenministerin Maria Elena Boschi ausgearbeitete Verfassungsreform ab. Was sich ändert, wie sie abstimmen, wo gewählt wird: TAGESZEITUNG Online beantwortet die wichtigsten Fragen zur Wahl.
Wie wird gewählt?
Wahlberechtigt sind all jene, die am Tag der Abstimmung das 18. Lebensjahr vollendet haben und in den Wählerlisten eingetragen sind. Die Wahlämter sind von 7 Uhr bis 23 Uhr geöffnet, erst dann wird auch mit der Auszählung begonnen. In den jeweiligen Sektionen sind, wie immer, Wahl- und Personalausweis vorzulegen. Wer ersteres nicht (mehr) besitzt, muss sich an das zuständige Wahlamt seiner Gemeinde wenden. Am 4. Dezember sind diese Ämter im ganzen Land durchgängig geöffnet.
Worüber wird abgestimmt?
Südtirols Wähler und Wählerinnen werden sich am Sonntag nur zwischen zwei Möglichkeiten entscheiden können: Ja oder Nein. Die genaue Fragestellung bildet die wichtigsten Eckpunkte der Verfassungsänderung ab:
„Sind Sie für die Genehmigung des Verfassungsgesetzes betreffend „Bestimmungen zur Überwindung des paritätischen Zweikammersystems, Reduzierung der Zahl der Abgeordneten, Eindämmung der Kosten für das Funktionieren der Institutionen, Abschaffung des CNEL und Überarbeitung des 5. Titels des 2. Teils der Verfassung“, das vom Parlament genehmigt und im Gesetzesanzeiger der Republik Nr. 88 vom 15. April 2016 kundgemacht wurde?“
Was bedeuten diese Änderungen konkret?
Die Überwindung des paritätischen Zweikammersystems meint die Abschaffung des Senats in seiner heutigen Form. Die Abgeordnetenkammer erlässt die allermeisten Gesetze künftig alleine und ist allein zuständig für die Verleihung des Vertrauens an die Regierung.
Der Senat besteht künftig aus 100 statt 315 Mitgliedern, die sich aus 21 Bürgermeistern, 74 Regional- oder Landtagsabgeordneten und 5 vom Staatspräsidenten ernannten Senatoren zusammensetzen. Südtirol wird ebenso wie das Trentino 2 Senatoren stellen. Der neue Senat vertritt die Regionen, Provinzen und Gemeinden und darf nur bei Verfassungsgesetzen, Bestimmungen zum Minderheitenschutz und der Ratifizierung von EU-Verträgen gleichberechtigt mitstimmen.
Was bedeutet ein Ja zur Reform für Italiens Regionen?
Regionen mit Normalstatut verlieren Kompetenzen, da die sogenannte „konkurrierende Gesetzgebung“ abgeschafft wird. Die ausschließlichen Zuständigkeiten des Staates verdoppeln sich (etwa im Sport, im Tourismus u.a.) und eine sogenannte „Suprematieklausel“ erlaubt es der Abgeordnetenkammer, in jeden Bereich der regionalen Zuständigkeit einzugreifen – zum Schutz des „nationalen Interesses.“
Gilt das auch für Südtirol?
Die Neuregelung der Kompetenzverteilung findet erst Anwendung, wenn das Autonomiestatut auf Basis gegenseitigen Einvernehmens abgeändert wird (sogenannte „Schutzklausel“). Dieses Einvernehmen soll, geht es nach der Südtiroler Volkspartei, auch im künftigen Autonomiestatut enthalten sein. Im Senat ist Südtirol mit seinen rund 510.000 Einwohnern und 2 Senatoren überproportional vertreten, über das Verfassungsgericht hat Rom aber weiterhin große Möglichkeiten, die Autonomie einzuschränken.
Und sonst ändert sich?
Die Direkte Demokratie: Für die aufhebenden Referenden müssen weiterhin 500.000 Unterschriften gesammelt werden, das Quorum bleibt bei 50 Prozent der Wahlberechtigten. Neu hinzu kommt die Hürde von 800.000 Unterschriften: Wird sie erreicht, sinkt das Quorum auf 50 Prozent plus 1 der Wähler bei den letzten Wahlen. 150.000 statt 50.000 Unterschriften braucht es künftig für eine „Gesetzesinitiative des Volkes“ , dafür muss sie, anders als bisher, in jedem Fall im Parlament behandelt werden. Abgeschafft wird durch die Reform außerdem der „Nationale Rat für Wirtschaft und Arbeit“ (CNEL).
Gibt es ein Quorum?
Beim Referendum zur Verfassungsreform gibt es kein Quorum. Das Ergebnis ist gültig, egal wie viele Wähler in Italien zu den Urnen schreiten. Gewinnt das Ja, werden oben genannte Änderungen umgesetzt. Bei einem Nein bleibt die Verfassung so, wie sie derzeit ist.
TAGESZEITUNG Online hält Sie mit einem Liveticker auf dem Laufenden. Um 12.00 Uhr wird die bis dahin erreichte Wahlbeteiligung bekanntgegeben.
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