Rechte Recken
Nazi-Shops, Hakenkreuz-Gürtel und rechtsextreme Kontakte nach Ostdeutschland: In Südtirol entsteht eine neue Gruppe junger Hitler-Fans.
Von Anton Rainer
Tommy Frencks Facebook-Freunden ist zum Spaßen zumute: „I sigs scho vor mia“, schreibt ein bayrischer Fan unter eines seiner vielen täglichen Postings, „Weisswurst pro Stück 1,88 Euro“. Im Hauptberuf, so viel sei verraten, betreibt der Ex-Kampfsportler seit wenigen Jahren ein Gasthaus in einem kleinen ostdeutschen Dorf. Frenck hat den „Goldenen Löwen“ im Dezember 2014 gekauft, seitdem fungiert das Restaurant als Treffpunkt der rechten Szene. Bereits im April letzten Jahres berichtete das Deutschlandradio über „Neonazis im thüringischen Kloster Veßra“ – und resümierte trocken: „Wo Tommy Frenck auftaucht, ist Ärger vorprogrammiert.“
Aufgetaucht ist der ehemalige NPD-Kandidat mittlerweile auch in Südtirol, wo seine Produkte seit einigen Monaten reißenden Absatz finden. Weißwürste? Nein, im Nebenberuf betreibt Frenck einen einschlägigen Internet-Versandhandel, der „Kleidung, Ausstattung, Tonträger und mehr“ in den gesamten deutschen Sprachraum liefert. Der Name seiner Website, „Druck18“, ist für junge Adolf-Hitler-Fans ebenso leicht als Code erkennbar wie der scherzhafte Preis der fiktiven Weißwürste. Mit dem ersten und achten Buchstaben des Alphabets geht Tommy Frenck auf Kundenfang.
Wer den Wink mit dem Sturmgewehr dann noch immer nicht versteht, wird vielleicht bei „I <3 HTLR“-Leibchen stutzig – oder bei den Testimonials, mit denen „Druck18“ in sozialen Netzwerken wirbt.
Drei Südtiroler sind auf den PR-Bildern zu sehen, ihr „T-Hemd“ mit dem Aufdruck „Division Südtirol“ ist ebenso zu erkennen wie die übereinandergelegten Hakenkreuze (Schwarze Sonnen) an der Gürtelschnalle. Mehrere Jugendliche aus Völlan will die Antifa Meran auf dem dürftig verpixelten Foto erkannt haben, unter dem Titel „Südtiroler Neonazis shoppen in Deutschland“ machte sie es am Dienstag öffentlich.
Tatsächlich gebe es in Völlan und umliegenden Dörfern „eine kleine Gruppe von Jugendlichen, die seit rund eineinhalb Jahren bekannt ist“, berichtet Salvatore Cosentino, Leiter der Streetworker Meran. Damals sei man mit den blutjungen Rechtsextremen erstmals in Kontakt getreten, ein paar von ihnen seien bis heute Mitglied der noch relativ unauffälligen Gruppe – vor allem in Bezug auf Gewalttaten. „Das kann sich aber von heute auf morgen ändern“, meint Cosentino.
So war es etwa im Mai 2015, als eine Gruppe Rechtsradikaler einen jungen Passeirer krankenhausreif prügelte. Ein in Umlauf gebrachtes Foto zeigte die mutmaßlichen Schläger mit Thor-Steinar-Pullovern, Reichsadler-Shirts und zum Hitlergruß ausgestreckter Hand. Die Geste sei „im Alkoholeinfluss eben so passiert“, erklärten die jungen Passeirer wenige Tage später im Gespräch mit der TAGESZEITUNG.
Tatsächlich sei „vor allem in der westlichen Landeshälfte in den vergangenen Jahren eine neue Neonazi-Szene herangewachsen“, sagt ein Mitglied einer Sondereinheit der Carabinieri im Gespräch mit der TAGESZEITUNG. Der Tenor: Nicht so schlimm wie vor zehn Jahren, als etwa infolge der Operation „Odessa“ ganze Neonazi-Nester ausgehoben wurden – aber gefährlicher als öffentlich bekannt. Rund 40 Personen werden von den Ordnungskräften beobachtet, der Kern bestehe aus einem guten Dutzend rechtsradikaler Männer zwischen 16 und 25 Jahren.
Auf Webseiten wie „Druck18“ statten sie sich nicht nur mit Klamotten aus, angeboten werden auch CDs mit einschlägigen Songtexten: „1918, niederträchtiges Jahr“, heißt es auf dem Lied „Südtirol“ der Band Act of Violence, „Geknebelt, gefesselt das Völkerrecht, zerstückelt das deutsche Volksgeschlecht.“ Aber damit nicht genug: Unter dem Menüpunk „Sicherheit“ finden sich in dem Shop unter anderem Messer, Äxte, Pfefferspray und Armbrüste. Wer seine „Division“ mit dem passenden Arsenal ausstatten möchte, würde in Tommy Frencks mit Sicherheit fündig.
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